Über mein Jahr in Indien

 

Das Projekt Tieedi

Es ist fast ein Monat vergangen seit ich auf diese kleine Farm im Himalaja gezogen bin. Aufgebaut wurde sie von einem jungen Ehepaar, das vor drei Jahren ihr altes Leben mit gut bezahlten Jobs und bequemen, aber auch hektischen Stadtleben aufgegeben hat, um in den Bergen ein Permakultur Projekt aufzubauen.

Permakultur ist der Versuch, bei der Nutzung von Land und Ressourcen, Kreisläufe zu schaffen, die an die Struktur natürlicher Ökosysteme orientiert sind und die bereits bestehenden so wenig wie möglich zu durchbrechen. Dadurch kann deren Widerstandsfähigkeit und Stabilität auf menschliche Landnutzung übertragen werden. Um das verwirklichen zu können, ist es notwendig die Position der Menschen gegenüber der Natur zu hinterfragen und eine lernende, anstatt eine besitzende Haltung einzunehmen.

Am konkreten Beispiel dieses Projektes, konnte ich erfahren, dass diese Idee nicht nur Träumerei sentimentaler UtopisInnen ist, sondern eine rationale Haltung und Vorgehensweise, wenn die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten effektiv und langfristig genutzt werden sollen.

Eines der größten Probleme der Region Darjeeling, in der die Farm liegt, ist die Verschmutzung durch Müll, der für gewöhnlich direkt im Wald oder in den Flüssen landet. Die Menschen sind besonders deswegen sehr unmittelbar von der eigenen und von Außerhalb kommenden Verschmutzung betroffen, da die verunreinigten Flüsse die Häuser mit Leitungswasser versorgen.

Dies war eines der ersten Probleme, mit denen sich Utsow und Aashna konfrontiert sahen, als sie die Farm anfingen aufzubauen. Und weil dieses Projekt auch kein Rückzug aus der Gesellschaft bedeuten sollte, sondern eine Möglichkeit in diese einzuwirken, mobilisierten sie die verschiedensten Menschen aus der Nachbarschaft, um gemeinsam den gesamten Fluss zu reinigen, der durch das Gebiet der Farm verläuft. Dadurch gibt das Projekt vielen Leuten die Möglichkeit, an einer Situation etwas zu ändern, mit der sie in ihrem alltäglichen Leben konfrontiert sind. So ist die Farm auch ein Ort geworden, an dem verschiedene Menschen vorbeischauen, um ein wenig zu plaudern, Tee zu trinken und Gemeinschaft zu haben.

Zwei Kinder, die täglich einige Stunden hier verbringen, um Unterstützung bei Schularbeiten zu bekommen, aber auch darüber hinaus eine gute Zeit zu verbringen, in der sie einiges lernen können, sind der Anfang einer anderen Zukunftsvision des Projektes. Eine eigene Schule, in der Kinder lernen, während und indem sie an der Arbeit und dem Prozess der Farm beteiligt sind. Die Art des Lernens soll sich dadurch von der des regulären Schulsystems unterscheiden. Durch Selbstbestimmtheit und Ungezwungenheit, sollen die Kinder nicht verlernen, mit Lust am Lernen, die vielen neuen Dinge aufzunehmen, mit denen sie konfrontiert werden.

Aber das ist Zukunft. Was passiert jetzt gerade?

Alle paar Tage kommen neue BesucherInnen auf die Farm. Die einen, um eine kurze Auszeit vom stressigen Stadtleben oder dem heißen Klima der südlicheren Regionen Indiens zu nehmen. Andere haben, ähnlich wie Utsow und Aashna ihr altes Leben hinter sich gelassen und verbringen ein paar Tage oder Wochen ihrer Reise mit uns.

Die gemeinsamen Abende mit viel Essen und Unterhaltungen mit den BesucherInnen und anderen BewohnerInnen der Farm, sind genauso Teil meines neuen Alltags geworden, wie das frühe Aufstehen, die noch ungewohnte körperliche Arbeit oder die täglich neue Herausforderung, nasse Klamotten während der Monsunzeit zu trocknen.

Reisen und Reisen lassen

Die meisten unserer BesucherInnen sind aus Indien. Doch immer wieder haben wir auch Menschen aus anderen Ländern- dann meistens Europa oder Nordamerika- zu Besuch.

Während indische Touristen in der Regel nur für einige Tage oder Wochen in Urlaub sind. Eine Pause von ihrem Alltag und der Großstadt machen, sind andere aus "westlichen" Staaten oftmals Monate sogar mehre Jahre unterwegs. Meistens gut gebildet und mit nicht zu knappen finanziellen Mitteln ausgestattet. Und so häufig Ich in den letzten Monaten gehört habe: "Ich habe meinen Job aufgegeben und bin seid dem auf Reisen" (So oder so ähnlich), habe ich langsam das Gefühl, es ist das normalste der Welt im Leben an einen Punkt zu kommen, an dem man alles hasst, was man bis dahin im Leben so gemacht hat. Oder wovor fliehen all diese Leute? Gut, dass ich das weiß, bevor ich überhaupt begonnen habe zu arbeiten.

Einmal waren da zwei Radreisende. Seid sieben Monaten in Asien unterwegs und für zwei Tage bei uns gestrandet. Natürlich haben sie interessante Geschichten zu erzählen. Schließlich erlebt man einiges und wird stark geprägt auf solchen Reisen. Schon vorher haben sie Reisen durch Europa und Amerika unternommen- mehrere Jahre.

Ein Abend später; die Radwanderer waren weitergezogen. Wir sitzen beim Abendessen am Tisch und reden über Dies und Jenes und auch über unsere zwei Besucher. Was sie für interessante nette Menschen gewesen waren. Da kommt plötzlich die Frage auf, die eine Kluft zwischen unseren indischen Gästen und denen aus Ländern des Globalen Nordens schlägt: Woher nehmen die eigentlich das Geld für so lange Zeit nicht arbeiten zu müssen?

Ich sitze am Rande des Gesprächs und lausche, wie sich die Leute (alle anderen sind Interinnen) darüber austauschen, dass Menschen in einem europäischen Land nur für einen oder zwei Monate arbeiten müssen - in einem nicht einmal besonders gut bezahlten Job - und damit drei vier Monate in einem Land wie Indien gut leben können. Ich würde mich gerne unsichtbar machen, aber alles was ich machen kann - und das ist wohl auch die bessere Möglichkeit - ist zuzustimmen, wenn jemand erzählt: "Einmal habe ich eine Frau kennengelernt, die geplant hatte für ein Jahr zu verreisen. Jetzt sind es schon drei. Sie sagte, das Geld sei einfach noch da. Das könnte ich niemals sagen! Das ist so unfair!"

Mir ist jetzt richtig schlecht und ich habe einen kleinen Klos im Hals. Dass das alles unfair ist, wusste ich natürlich vorher schon irgendwo. Aber halt sehr theoretisch. Das war meine erste Begegnung damit, wie Menschen aus einem Land des globalen Südens über dieses Thema fühlen und denken. Das ist auf der einen Seite vielleicht eine Mischung aus Bewunderung und Neid. Aber es ist vor allem auch sehr explizierte Wut, die sagt: Die Verhältnisse sind nicht gerecht!

Dieselbe Person hat dann noch was gesagt:

Die meisten Menschen hätten eine bestimmte Vorstellung von Indien. Yoga, Meditation, Henna. Und Ihre Position als Weiße würde es ihnen auch möglich machen, genau dieses Indien zu erleben, das sie erleben wollen. Es gäbe da aber auch noch ein anderes Indien, das für Indischen Menschen zwangsweise (auch) immer präsent ist. Dieses Indien hätte auch mit Unterdrückung zu tun und mit Lebensverhältnissen, aus den man sich nicht einfach befreien kann, wenn das Geld dafür nicht vorhanden ist. Dieses Indien sei für sie auch immer das echte Indien, aber für Reisende aus Ländern des globalen Nordens müsse bzw. könne es das nie sein.

Das Einkommen in einem europäischen Land ist im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten in den meisten Ländern des Globalen Südens so hoch, dass man sich mit vergleichsweise wenig Geld einen Lebensstandard leisten kann, für den andere Leute hart arbeiten müssen. Unser europäischer Reisepass ermöglicht es uns ohne Probleme in nahezu jedes Land dieser Erde zu reisen. Wenn wir entscheiden in einem anderen Land leben zu wollen wird uns niemand fragen, ob wir denn auch einen guten Grund haben woanders leben zu wollen als in dem, in dem wir geboren sind. Niemand wird uns vorwerfen, nur von ökonomischen und/oder gesellschaftlichen Verhältnissen profitieren zu wollen.

Trotzdem gelten (langzeit)Reisende, besonders wenn es sie nach Asien oder Südamerika verschlägt, als sehr mutige weltoffene Menschen, die mit absoluter Selbstlosigkeit, die Welt verbessern würden.

Dabei spielt es für diese Menschen natürlich gar keine Rolle woher sie stammen oder aus welchem Land irgendjemand anderes stammt oder aufwächst. Und natürlich beurteilen sie alle Menschen ausschließlich nach ihrem Charakter und niemals nach Herkunft oder Geschlecht etc. Ja sie sind sogar so selbstlos und ehrenvoll in Länder des globalen Südens zu reisen, um den Menschen in ihrem Verhalten ein Vorbild zu sein und sie an unserem moralischen Fortschritt teil haben zu können.

Die meisten Weltreisenden möchten gerne mit ihrem Auftreten und Lebensstil ein Ideal einer Welt ohne Grenzen und der unendlichen Möglichkeiten präsentieren. Und so romantisch und aufregen sich dieser Lebensstil auf sozialen Netzwerken darstellen lässt, gerät als anscheinend schnell in Vergessenheit, dass es vor allem ein Beweis unserer Privilegien ist.

Denn für den Großteil der Menschheit ist die Welt wie sie existiert nuneinmal durch unüberwindbare Grenzen begrenzt. Und in den unterschiedlichen Gestalten, in denen sie auftauchen können, machen sie das freie und selbstverständliche Reisen zu einem Privileg.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich möchte ich auch gerne, dass es keine Rolle spielt in welchem Land man geboren und sozialisiert wird. Aber Diskriminierungsverhältnisse und Privilegien einfach zu ignorieren, nur weil man nicht gerne möchte das sie existieren, hat doch auch noch nie dazu beigetragen, sie zu beseitigen.

Aber was mache ich hier dann eigentlich?

Schließlich lebe ich auch gerade in einem Land des globalen Südens. Einfach weil ich gerne mal die Erfahrung machen wollte. Und irgendwie ja auch, weil ich es halt einfach machen kann. Und auch wenn ich Freiwillige bin, habe ich ein deutschen Arbeitsvertrag, der mir sehr viel mehr Urlaubszeit erlaubt, als für alle anderen üblich.

Zwei Wochen lang wahr ich dann auch das erste mal so richtig in Indien auf Reisen. Einige Kilometer weiter südlich im selben Land fühlt es sich an wie in einem ganz anderem. Richtig warm plötzlich.

Ich könnte auch einiges erzählenswertes von dieser Reise berichten. Aber ich hatte einige Begegnungen, Situationen und Gespräche, die mich darüber mehr zum nachdenken gebracht haben. Und auch wenn nichts von dem, was ich hier schreibe neu ist und schon häufig gesagt wurde, gibt es ein Teil meiner Erfahrungen auf dieser Reise wieder. Das Reisen als Weiße in einem Land des globalen Südens hat mir meine gesamte Rolle noch einmal ganz anders vor Augen geführt. Außerdem die Erfahrung, auch von InderInnen wieder gespiegelt zu bekommen, dass dieses ganze Verhältnis als ungerecht wahrgenommen wird, hat mich zu der Entscheidung gebracht diesen Bericht so zu schreiben und all das schon gesagte nochmal zu sagen, um es vielleicht ein bisschen mehr sichtbar zu machen.

geklauter Titel: inspirierend bis haarsträubend

Bill Mollison und seinem Schüler David Holmgren ging es in den 1970er Jahren darum, wissenschaftliche Ansätze für ein Konzept und eine Praxis von Landwirtschaft zu entwickeln, die in heutigen und zukünftigen ökologischen Voraussetzungen zukunftsfähig sein können. Sie beobachteten und analysierten weltweite Landnutzungsformen, die schonend für die Bodenfruchtbarkeit sind, wenige bis gar keine unbrauchbaren Überschüsse (Abfall) produzieren und Biodiversität im ihren Nutzungsbereich erhöhen. Diese Landnutzungsformen reichten von Praktiken von Naturvölkern, alten Kulturtechniken bis zu Methoden fortschrittlicher Landwirtschaft. Aber auch eigene langjährige Gärtner- und Landwirtschaftserfahrung. Aus der Analyse haben sie wiederkehrende Systematische Muster herausgearbeitet. Auf der Grundlage dieser Muster und basierend auf den drei Ethiken (earth care, people care, fair share) zwölf sogenannte "Permakultur Prinzipien" aufgestellt, die in David Holmgrens Buch "Permaculture. Principles And Pathways Beyond Sustainability" vorgestellt werden. Diese bilden Leitsätze, die die Landnutzung der ausgewählten und beobachteten Praxisbeispiele als widerstandsfähige und nachhaltige Systeme ausmachen. Obwohl der Anspruch besteht sie seien universell anwendbar, bringen sie die Notwendigkeit mit sich, in jeder konkreten Situation und Umgebung spezifisch gedeutet und angewandt zu werden.

Es bedeutet vor allem das Beobachten von Ökosystemen und deren Funktionsmechanismen. Das befähigt nicht nur zu einer besonders naturschonenden Weise Nutzpflanzenanbau zu betreiben, sondern macht diesen auch - trotz oder gerade wegen der Gegensätzlichkeit zur kommerziellen (auch Bio-) Landwirtschaft- erstaunlich ertragreich. Auf vergleichsweise kleinen Flächen, die oftmals durch herkömmliche Anbauweise gar nicht nutzbar wären, wird jede vorhandene Energie so effizient wie möglich genutzt.

Das Beobachten beschränkt sich aber nicht nur auf das Nachahmen von Ökosystemen. Wenn ein Garten nach Permakultur Prinzipien entstehen soll, muss genau beobachtet werden, wie sich das zur Verfügung stehende Land eigentlich verhält:

Was für natürliches Leben ist bereits vorhanden? Wie kann ich es nutzen und erweitern, ohne es zu zerstören? Wohin fließt das Wasser, wenn es regnet? Wo ist es besonders trocken, wenn es nicht regnet? Wie sind der Verhältnisse von Sonne und Schatten zu allen Tages- und Jahreszeiten? Und welche Voraussetzungen bringt der Boden mit?

Permakultur kann also keine statische, auf alles anwendbare Bauanleitung sein. Sondern ein Prinzip für Design, dass abhängig von Ausgangssituationen her zu einer Idee (oder Lösung) hin ausgestaltet werden muss. Die Auseinandersetzung mit der Fragen soll zu einem Design als Antwort führen, durch das Bepflanzung und anderweitige Nutzung so in Raum- und Zeitmanagement platziert sind, dass alles was der Ort hergibt bestmöglich genutzt werden kann, sowenig Energie und Arbeit wie möglich von außen einfließen muss- und sich alles möglichst gegenseitig bedingt und weiterentwickelt.

So kommt das Durcheinander eines so genannten "Waldgarten" zustande. Alles scheint zufällig und ohne jede Logik platziert. Dabei ist es ein komplexes möglichst weit durchdachtes System.

Natürlich möchte ich, vor allem mit diesem Hintergrund, eine kritische Haltung zur Agrarwirtschaft einnehmen. Aber nicht aus dem moralischen Vorwurf, einer Natürlichkeit zerstörenden und in ein Herrschaftsverhältnis zur Natur tretenden Industrie. Man kann ihr nicht vorwerfen so viel Essen so günstig wie möglich zu produzieren. Vor allem weil es schließlich auch um die Produktion von Lebensmittel zur Versorgung von Menschen geht. So effizient wie möglich sein zu wollen bzw. sein zu müssen kann ja keine Bösartigkeit sein. Aber es passiert wohl kaum mit vollem Bewusstsein. Denn auch wenn Monokulturen und Pestizide kurzfristig Leiden verhindern, wurden sie nicht zum Verhindern von Leiden entwickelt. Vielleicht genau deswegen erschaffen sie ja auch immer mehr neue.

Für die meisten sage ich wahrscheinlich gar nichts neues. Aber für den kleinen Rest: Durch das Herunterwirtschaften der Böden können mehr und mehr der ohnehin sehr begrenzten Menge an nutzbaren Flächen nicht mehr genutzt werden. Wälder müssen zerstört werden. Dadurch wird Artenvielfalt bedroht. Das ist auch ohne Sentimentales Betrauern von Tieren und Pflanzen ein Problem! Durch standardisierte Monokulturen gehen seit richtig langer Zeit oder manchmal auch weniger langer Zeit auf Klimabedingungen angepasste Nutzpflanzen verloren. Zum Teil haben sie für spezielle Umweltsituationen Resistenzen entwickelt, was helfen würde Ernährungssicherheit auch bei extremeren Wettersituationen zu gewährleisten. Aber natürlich nur bei großer Diversität an Arten. Klimawandel, Verschiebung von Klimazonen und Regen-Trockenverhältnissen. Das alles bringt uns wohl wahrscheinlich eher in eine Ernährungskrise. Und noch einmal: Es geht gar nicht um Moral, sondern um Notwendigkeit. Und so möchte ich darüber auch reden.

Aber, und das ist mein Unbehagen, innerhalb der Öko- und insbesondere der Permakultur Bewegung wird viel von "in Harmonie sein mit der Natur" oder dem "bewussteren Leben" geredet. Die Beschäftigung von Nutzpflanzenanbau nach ökologischem Vorbild scheint für viele sehr selbstverständlich so etwas wie ein Zugang zur eigenen Spiritualität, Praxis esoterischen Denkens und naturbezogener Irrationalität zu sein. Klar, man weiß Bescheid über Probleme, die uns bevorstehen oder die bereits Realität sind. Aber diese erscheinen plötzlich als aus Mangel an Innerlichkeit und Harmonie der kapitalistisch rationalisierten Welt zu resultieren und nicht aus physikalischen und biologischen Folgen ihrer irrationalen Produktionsweise. Dann ist Ökologie auch in erster Linie nur Notwendigkeit für die Entwicklung des eigenen Geist und Körper in eine angeblich irgendwo existierende Widerspruchslosigkeit, die dann wiederrum in eine- meiner Meinung nach vollkommen künstlich erschaffenen- natürlichen Einheit mit der Natur führen soll. Dann würden sich ökologische Probleme wohl einfach von selbst lösen.

Machen wird bei diesen Worten wahrscheinlich schon etwas unwohl. Denn auch wenn die Ökologiebewegung seit den 1970er-Jahren allgemein eher als links eingeordnet wird, interessieren sich immer mehr konservative bis faschistische Gruppen und Einzelpersonen für Ökologie und finden auch innerhalb einiger Verbände und Gruppen ihren Platz. Manchmal fällt das auf. Hin und wieder bekommen sie dann etwas Gegenwind zu spüren. Aber viel wird das auch einfach hingenommen.

Es ist an dieser Stelle vielleicht angebracht die Verbindung von Spiritismus, Esoterik, Okkultismus zum Völkischen, Antisemitischen und Rassentheoretischen Denken darzustellen. Das versuche ich hier:

Rechtes Denken geht immer von der Vorstellung eines angeblich ursprünglich existierenden "natürlichen" und Zustands einer Gesellschaft aus. Und der Möglichkeit der (wieder-)Herstellung dieser Volksgemeinschaft, die dann widerspruchsfrei und in vollkommener Harmonie miteinander leben würde und sich neben anderen, auch für sich in Harmonie lebenden Völkern, unabhängig entwickeln könne.

In der Studie der Hans Böll Stiftung "braune Ökologen" wird der Einfluss rechten Denkens auf das historische Entstehen der Ökologiebewegung und ökologischer Wissenschaft beschrieben. Anhand der Analyse historischer Entwicklungen und der Argumentationsmuster der ökologischen Rechten (bzw. rechter Ökologen) wird das Interesse an Ökologie und die große inhaltliche Übereinkunft sehr deutlich.

Als Reaktion auf die Industrialisierung hätte sich in der Romantik eine Gegenbewegung zu modernem aufklärerischem Verständnis von Natur und Gesellschaft gebildet.

"Die Moderne und die revolutionären Umwälzungen der Produktionsverhältnisse durch die Industrialisierung waren stets begleitet von restaurativen Gegenbewegungen. Gegen die Rationalisierung, Technisierung und Entzauberung der Welt setzten ihre Kritikerinnen und Kritiker auf Traditionen, subjektives Empfinden und Mystifizierung des sie Umgebenden. Als ideales Objekt der Überhöhung bot sich dabei immer die Vorstellung von Natur als Gegenwelt zu den kritisierten, von Menschen zu verantwortenden Erscheinungen an."

Aus dieser Grundlage sei seit Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Natur- und Heimatschutzbewegung hervorgegangen. Diese wendet sich gegen Industrialisierungspolitik und fordert auf Grundlage ihrer Naturvorstellung die Wiederherstellung einer idealisierten und als ursprünglich empfundenen Stände- und Agrargesellschaft, in der alle Lebewesen in einem natürlichen Gleichgewicht im biologischen Sinn leben würden.

Sowohl für die Natur- und Heimatschutzbewegung als auch für die im Laufe des 20. Jahrhunderts erstarkenden autoritären Rechten spielt die "Blut und Boden" Ideologie eine entscheidende Rolle. Dabei entspricht "Blut" der Kategorie der "Herkunft", mit der das Germanentum als Volk gemeint ist. Und "Boden" entspricht der Kategorie der "Heimat" womit die deutsche Landschaft bezeichnet wird. Beide würden in einer "unauflöslichen, organischen Beziehung miteinander stehen".

Der Naturbegriff sei einerseits wichtig, um eine gesellschaftspolitische Ordnung formulieren, in der Abweichungen von einer als richtig festgelegten Lebensweise einfach als unnatürlich bezeichnet und mit der Legitimierung repressiv verfolgt werden kann.

In der Studie der Hans-Böll-Stiftung wird aber noch eine andere, spezifisch deutsche Bedeutung genannt:

"Die Vorstellung von der Nation als organisch gewachsenem und immerwährendem Prinzip und gleichzeitig als Ausdruck des politischen Willens eines homogenen Volkes hat dabei in Deutschland traditionell stärkere Deutungsmacht als in anderen Staaten. Dies liegt an einer historischen Besonderheit, die sich halbbewusst bis heute erhalten konnte: Anders als z.B. in Frankreich, wo der Nationalstaat in der Folge einer bürgerlichen Revolution unter Berufung auf aufklärerische Prinzipien begründet wurde und sich als politische Wertegemeinschaft von Einzelnen konstituierte, benötigte man im kleinstaatlich organisierten Deutschland, wo jeder Revolutionsversuch scheiterte, eine vorpolitische oder gar irrationale Begründung für die Konstitution als Nationalstaat."

Und die Esoterik?

Rudolf Steiner (1861-1925) hat die Anthroposophie entwickelt. Eine mystische Welterklärung (aber angeblich "Wissenschaft des Menschen"), die antisemitische, rassistische und misogyne Ansichten und Gesellschaftsverhältnisse reproduziert. Aus eigenen Angaben stammen Hintergründe und Informationen aus der sich seine Theorie zusammenstellen aus der "Akasha-Chronik", die nicht materiell vorhanden ist, sondern nur von ihm, Steiner himself hellseherisch in Meditationsübungen eingesehen werden kann. Diese würde alle Ereignisse der Geschichte, alle Taten Worte und Gedanken der Menschheit erhalten. Im Grunde stellt sich aber seine anthroposophische Theorie größtenteils aus einer starken Prägung durch die Theosophie sowie Beimischungen christlicher und goethischer Philosophie, deutschen Idealismus und den Evolutionstheorien zusammen. Wenn man in die Geheimwissenschaft der Anthroposophie durch einen bestimmten spirituellen Erkenntnisweg eingeweiht wird, hat man wohl auch exklusive Einblicke in die "eigene Rolle im Weltgeschehen und über die Ziele der Kosmischen Evolution". Die Evolutionstheorie stellt er aber einfach komplett auf den Kopf. Der Mensch steht am Anfang eines Prozesses, der nicht nur die Entwicklung der Erde beinhaltet. Die Evolution auf der Erde sei dann in sieben Phasen eingeteilt, die jeweils von einer anderen "Wurzelrasse" dominiert. Das derzeitige Erdzeitalter (das fünfte) sei das der Arier.

1924 hält Steiner acht Vorträge zur "Biologisch-dynamischen Landwirtschaft". Diese Art der Landwirtschaft unterscheidet sich vor allem insofern von der regulären biologischen Landwirtschaft, dass sogenannte "bio-dynamische Präparate" genutzt werden. Weil "der ganze Himmel mit seinen Sternen am Pflanzenwachstum beteilige und jede Pflanze immer das Abbild irgendeiner kosmischen Konstellation" sei. Bei den "bio-dynamischen Präparaten" handelt es sich meistens um mit Kuhscheiße oder zermahlenen Bergkristallen gefüllte Kuhhörner, die bei bestimmten Mondphasen oder Sternkonstellationen unterm Feld vergraben werden müssen. Auch Aussaht und Ernte wird nach Planetenpositionen geplant.

In den Demeter-Richtlinien sind die Präparate auch vorgeschrieben. Denn der Demeter-Bund e.V. ist erst Verwertungsgesellschaft (ab 1927) dann Wirtschaftsverband (ab 1930) der anthroposophisch arbeitenden Landwirte. Auch Waldorfschulen oder Valeda Kosmetik sind durch Anthroposophie geprägt. Und hier wird auch die Nähe deutlich, zu einer gängigen Auffassung von "Öko". Denn auch wenn Waldorfschulen vielleicht hin und wieder in der Kritik stehen, haben Demeter Produkte ja den Ruf nach den als ganz seriös empfundenen Richtlinien als irgendwie noch besser als Bio zu sein und sind in einem Bildungsbürgerlichen Milieu als Mittel gegen schlechtes Gewissen und einem Gefühl nach einem "bewussteren Leben" erstaunlich beliebt. Auch wenn wahrscheinlich nicht alle Demeter LandwirtInnen genauso wie auch nicht alle Lehrenden an Waldorfschulen einfach so und mit vollen Bewusstsein die Lehren Rudolf Steiners vertreten würden, werden diese doch in Ausbildungen noch gelehrt. Und auf der Internetseite des Demeter Verbandes findet man jede Menge Informationen über Steiners bio-dynamische Landwirtschaft, aber keine distanzierende Stellungnahme und schon gar keine kritische Auseinandersetzung mit dessen Ursprüngen.

Ein anderes Beispiel für eine esoterische Bewegung, die diesmal deutlich rechtsextrem eingeordnet wird, ist die Anastasia Bewegung. Nachdem Wladimir Megre angeblich in der russischen Taiga eine ganz für sich allein, vollkommen mit und von der Natur lebende Frau mit dem Namen Anastasia getroffen hat, hat er gleich mehrere Bücher geschrieben. Wie sie von den Tieren mit Essen und allem was man sonst noch so braucht versorgt wird, weil sie wohl die höchste Stufe eines spirituellen Werdegangs erreicht hätte. Dabei propagiert er, die westliche Zivilisation sei eine einzige Verschwörung: Es gäbe eine Macht, die Politik, Medien und Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hätte, um die Menschen zu manipulieren. Dementsprechend stehe dieser Zivilisation nur die Möglichkeit einer weitesgehend selbstversorgenden esoterisch-ökologischen Lebensweise. Das propagierte Ideal dafür ist das Modell der Familienlandsitze. Jede Kleinfamilie solle auf einer bestimmten Fläche Land mehr oder weniger isoliert von anderen für ihr eigenes Auskommen sorgen. Das Modell einer Permakultur Farm wird dabei gerne als Inspiration für diese romantischen Idylle verwendet. Und irgendwie passt es ja auch. Wenn man die Nachstellung von Ökosystemen auf das angeblich natürliche Verhältnis von Familienverbänden in allen den ihr enthaltenen Hierarchien und Rollen überträgt, was in einem größeren Sinn dann auch auf ein "Volk", eine "Ethnie" angewandt wird.

Das Permakultur Institut e.V. und die Permakultur Akademie haben unter der Überschrift "Permakultur und die ökologische Rechte" ein "Wie wir dazu stehen" verfasst.

Zunächst weisen sie darauf hin, dass auch innerhalb ihrer Kreise manchmal Menschen mit "nationalistischer Einstellung oder rechtsextremer Haltung" auftauchen, weil sie anscheinend an Permakultur Interesse hegen.

Sie reagieren darauf und fragen nach dem "Warum ist das so und was ist ein angemessener Umgang damit?" Und mit dem "Warum ist das so?" setzen sie tatsächlich an eine Auseinandersetzung mit dem Problem an, wenn sie aus der Studie der Hans-Böll Stiftung zitieren und eher betonen als leugnen, dass nationalistisches Denken die Entstehung der Ökologiebewegung geprägt hat und auch heute noch anschlussfähig ist.

Die Auseinandersetzung geht aber nicht so weit, die Permakultur und ihre innere Logik an sich kritisch zu reflektieren. Und folgerichtig geht dann das "Und was ist ein angemessener Umgang damit?" auch nur so weit, ein Wertestatement abzugeben, dass sich zu Achtung, Wertschätzung, Respekt, Förderung und Verantwortung bekennt und gegen "jegliche Form von rassistischen, sexistischen und antisemitischen oder anderweitig diskriminierenden Äußerungen und Verhaltensweisen" Position zu beziehen. Ich finde das Wertestatement und noch mehr das "Position beziehen" gut und wichtig. Wenigstens wird hier etwas Selbstkritik geübt und klare Aussagen getroffen. Eine aus meiner Sicht entscheidende Frage wird aber dadurch immer noch nicht beantwortet. Wird die Permakultur oder die Ökologiebewegung im Allgemeinen nun einfach nur immer und immer wieder von Rechten vereinnahmt und für ihre Zwecke genutzt um ihren politischen Einflussbereich zu vergrößern, wie es auch in dem Statement des Permakulturinstituts und der Permakultur Akademie wieder den Anschein hat? Oder ist es vielleicht doch eher kein Zufall? Wenn Ursachen dafür in der historischen Entwicklung und der ideologischen Zusammensetzung liegen, müssen wir vielleicht doch noch ein bisschen mehr darüber reden.

Nachdem ich eine ins Deutsche übersetzte Zusammenfassung von dem schon oben genannten "Permaculture. Principles and Pathways beyond Systainability" von David Holgrem gelesen habe, scheint mir auch Permakultur nicht sehr verschieden zu der restlichen Ökologiebewegung zu sein.

Wie schon erwähnt, basieren die als Leitlinien wirkenden Prinzipien auf den drei Ethiken. In seinem Buch baut Holmgren darauf wiederum anscheinend ineinander übergehende und sich dadurch dynamisch weiter entwickelnde Grundsätze. Sie betreffen folgende Bereiche außerhalb der Landwirtschaft in dieser festgelegten Reihenfolge: Werkzeug und Technologie, Kultur und Bildung Gesundheit und Spirituelles Wohlbefinden, Finanzen und Ökonomie, Landbesitz und Gemeinschaft, Verantwortung im Umgang mit Land und Natur, und Gebäude und Umgebung. Holmgren stellt diesen Übergang und die gegenseitige Beeinflussung und Bezugnahme von Ethik, Prinzipien und Grundsätzen in der so genannten Permakultur Blume (das klingt viel zu lächerlich dafür, dass es eigentlich sehr erschreckend ist) dar. Wobei Ethiken und Prinzipien sich in der Mitte befinden und genannte Grundsätze sich in einer Spiralform aus denen ergeben und jeweils ein Blatt der Blüte bilden. Um diese Blüte herum werden einige Beispiele aufgezählt, durch die unter anderem deutlich wird warum die verschiedenen Bereiche in dieser Reihenfolge platziert sind und als ineinander übergehend beschrieben werden.

Unterstrichen durch das naturalisierte Bild der Blume und Behauptung einer Spiralform in seiner Theorie bezeichnet Holmgren nun diesen Systematischen Prozess als "Evolution des Permakultur design Systems". Problematisch ist das vor allem, weil er sich dabei nicht nur auf das Übertragen von Logiken von Ökosystemen auf Praktiken der Landwirtschaft bezieht, sondern die Permakultur als "Vision einer dauerhaften oder nachhaltigen Landwirtschaft zu einer Vision einer dauerhaften oder nachhaltigen Kultur" entwickeln möchte. In seiner Theorie scheint er also eine künstliche Evolution erschaffen zu wollen. Durch die Einbettung der Kultur in dieser erscheinen gesellschaftliche Zustände als natürliche und notwendig existierende Phänomene, auf die man kein Einfluss nehmen könnte und auch nicht sollte.

Abgesehen von seiner wage dargestellten Gesellschaftsutopie lassen sich noch andere Parallelen zu typischen Denkweisen in rechter oder esoterischer Ökologie finden.

"Die Verknappung lokaler natürlicher Ressourcen durch Bevölkerungsdruck, Innovationen in Rohstofffördertechnologie, ethnischen und Einwanderungskonflikten sowie Ausbeutung durch Staat und Konzernen, haben die Produktivität und Brauchbarkeit der alten gemeinschaftlich entwickelten nachhaltigen Systeme verringert."

Vorindustrielle Gesellschaften werden hier nicht nur dadurch romantisiert, dass Ausbeutungsverhältnisse etwa durch Leibeigenschaft oder Sklavenhaltung und die feste Einbettung von Individuen in Familienverbänden und Geschlechterverhältnissen nicht erwähnt werden, es wird sogar explizit behauptet sie seinen gemeinschaftlich entwickelt worden, was ein Bild von Egalität zeichnet. Abgesehen davon werden Merkmale und Folgen von Industrialisierung unbeachtet ihrer historischen, gesellschaftlichen und systematischen Einordung aufgezählt und gemeinsam als Ursachen für die Moderne angeblich charakteristischen Schwierigkeiten genannt.

Weiter sagt Holmgren, die Steigerung des Wohlstandes durch die Industrialisierung sei nur eine scheinbare Verbesserung der Lebensqualität da sie das "rückläufige Wohlbefinden" nicht berücksichtigen würde. Die Landbevölkerung sei wegen dieser "Verlockung unendlicher Möglichkeiten" massenhaft in die Städte immigriert. Damit moralisiert er scheinbar oberflächliche Bedürfnisse und erkennt die materiellen Notlagen nicht an, die große Teile der Landbevölkerung in die Städte getrieben hat. Ich möchte nicht das Elend leugnen, dass in der frühen Phase der Industrialisierung in den Städten auf sie gewartet hat. Aber durch das Bild des "Esels, der einer Karotte hinterherläuft", wird behauptet die Menschen seinen blind ihren Trieben folgend und unreflektiert aus dem Paradies in das Verderben gelaufen.

Um die Notwendigkeit des Konzepts der Permakultur zu betonen, gibt Holmgren eine Reihe von Annahmen an, die er vom Zustand der Welt und der Gesellschaft hat. Insgesamt würden alle auf die allgemeine Grundannahme und Vision der "Zukunft des Energieabstiegs" hinauslaufen. Das würde nicht nur die schrittweise Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs beinhalten, sondern auch die "vermeintliche Verringerung der Weltbevölkerung"

"Ich nenne dies die "Zukunft des Energieabstiegs" um das Primat der Energie im menschlichen Schicksal zu betonen, und die am wenigsten negative, aber klare Beschreibung, was einige vielleicht "Niedergang", "Kontraktion", "Zerfall" oder "Absterben" nennen würden. Diese Zukunft des Energieabstiegs ist wie ein sanfter Abstieg nach einer aufregenden Ballonfahrt, die uns wieder auf die Erde, unsere Heimat zurückbringt."

Ich denke es muss nicht betont werden wie makaber die Rede eines "sanften Abstiegs" ist mit dem Hintergrund es solle sich unter anderen um eine Verkleinerung der Weltbevölkerung handeln, was von anderen Menschen womöglich als "Absterben" bezeichnet werden könnte. Beängstigender wird es nur noch durch den Begriff der "Heimat", in die uns dieser Abstieg angeblich zurückbringen würde. Auch wenn sich über den Heimatbegriff Holmgrens nicht wirklich was sagen lässt, liegt die Vermutung nahe das in diesem Kontext sich dahinter eine Positive, vielleicht sogar ideale Vorstellung von etwas vergangenem (ursprünglichen) verbirgt.

Seine Positionen scheinen an dieser Stelle schon erschreckend stark denen einer Natur- und Heimatschutzbewegung zu gleichen.

In einer Anmerkung von an den in der Le Monde erschienen Artikel "Mehr Humus und Vielfalt braucht die Erde" weißt Bettina Dyttrich auf Stellen aus "Permaculture. Principles and Pathways beyond Sustainability" hin, die die inhaltliche Nähe Holmgrens zu völkisch ökologischem Denken sehr deutlich macht. Von dieser Anmerkung habe ich übrigens auch meinen Titel geklaut. Mit "Inspirierend bis haarsträubend" könnte man es wohl kaum besser ausdrücken. Deswegen klaue ich ihr nach ihrem Titel auch einfach mal die von ihr genannten Zitate aus Holmgrens Buch:

"Ist durch die Durchmischung von zuvor isolierten ethnischen Gruppen (...) der sogenannte Heterosis-Effekt, also eine besonders ausgeprägte Leistungsfähigkeit von Hybriden, eingetreten?" "Haben die Medizin und andere Errungenschaften der Moderne die biologische Fitness des Menschen herabgesetzt, ähnlich wie die Überzüchtung von Haustieren deren Fitness beeinträchtigt?"

Nach solchen Worten überrascht auch nicht mehr, dass er laut Dyttrich Konzepte der Raumplanung mit der Apartheit vergleicht. Denn die Vorstellung, menschliche Ethnien hätten sich jemals in der Geschichte der Menschen isoliert voneinander entwickelt ist ja entscheidend für eine Vision von ethnisch "reinen" Volksgemeinschaft, die endlich alle Wiedersprüche überwunden hätten und in Harmonie leben würden, sobald sie den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt hätten. Auch hier werden Parallelen von natürlichen Ökosystemen zur Kultur gezogen, die sich sehr eindeutig Sozialdarwinistisch äußern. Als ob biologische Fitness im Sinne der Evolution überhaupt in einer menschlichen Gesellschaft eine entscheidende Rolle für das Leben spiele würde. Es ist an dieser Stelle nicht nur problematisch, weil es eine wissenschaftlich falsche Deutung von biologischer Fitness ist. An sich besteht hier eine scheinbar rationelle Vorstellung der Bedeutung von menschlichen Leben, in der Individuen nur Teil einer bestimmten Ethnie einer Spezies wie jede andere sind, die sich angeblich evolutionär in eine bestimmte Richtung, hin zu einem Ziel entwickeln würde. Die ideologische Einbettung dieser Vorstellung, nach der dann folgerichtig die Isolation von Ethnien als etwas positives empfunden wird, ist vor allem durch den Hintergrund erschreckend, dass die Menschen ja weniger werden sollen. Die Auswahl derer, die es wert sind weiter zu leben scheint rational, demnach eine notwendige und unideologische Entscheidung zu sein.

Aber ist Permakultur jetzt ein Konzept? Eine Bewegung? Ein System ökologischen Designs? Oder doch ein Glaubenssystem oder Ideologie?

Und warum überhaupt inspirierend, wenn doch so haarsträubend?

Wiederbelebung und Verbesserung von Böden, Nutzung von Ecken und Kanten und mehrfache Funktionalität kann ja irgendwie nicht das Problem sein. Das Problem fängt aus meiner Sicht eher immer dann an, wenn mit der Logik und Funktionalität von Natur nicht nur im Bereich der Natur, des Naturschutzes oder der Naturnutzung bleiben, sondern sie auf kulturelle, gesellschaftliche Bereiche anwendet. Denn das geschlossene Prinzip von Natur, in der sie sich ständig konfliktlos selbst bedingt reproduziert und weiterentwickelt, produziert angewendet auf Menschengemachtes ein Glauben oder vielleicht eine Sehnsucht von einer in genau dieser Harmonie und Widerspruchslosigkeit existierenden Kultur. Ein sozusagen organisches Zusammenleben von Menschen. Deswegen liegt sowohl die Stärke als auch das Gefährliche der Permakultur, das inspirierende und gleichzeitig haarsträubende in ihrem Systemdenken. Nur durch das systematische Beobachten, Analysieren und Nachahmen von Sachen, hat die Permakultur das Vermögen, Strukturen so genau erkennen, begreifen und beschreiben zu können und weist so viele, so flexibel anwendbare Möglichkeiten auf mit diesen zu arbeiten. Es liegt dieser Denkweise aber auch nahe, wie man das ja auch die ganze Zeit sehen kann, einfach als Theorie für alles Mögliche benutzt zu werden. Und dabei scheint eine Blindheit zu entstehen über Faktoren, die Gesellschaften bedingen, für ein differenziertes Verständnis von Kultur und Ethnie, und für politische Auswirkungen von dem, was man sagt und dann macht. Da helfen die drei Permakultur Ethiken auch nicht wirklich weiter die, so unkonkret sie sind, so wie so von fast allen vertreten werden können.

Solange Permakultur aber ein gedankliches Werkzeug bleibt für den Umgang mit Natur und Landwirtschaft, bringt sie so viel Potenzial mit sich, dass es vielleicht unklug wäre sich davon einfach grundsätzlich nichts wissen zu wollen. Aber nur in der Reflektion kann man daran arbeiten, eine emanzipatorische Ökologie zu machen, die sich an materiellen Bedürfnissen von Menschen und materiellen Voraussetzungen Natur orientiert.

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